Donnerstag, 18. Oktober 2012

Sulawesi und der Totenkult der Toraja

Anmerkung der Redaktion: In diesem Post kommen Bilder mit toten Schweinen und Büffeln vor. Ich habe diese Bilder mit der kleinstmöglichen Grösse eingefügt - für alle die sich diese Bilder nicht ansehen wollen, die kleinen also nicht öffnen.

Am 12. September treffe ich kurz vor 12.00 Uhr in Makassar, auf der Insel Sulawesi, ein. Diese ist eine Grossstadt mit knapp zwei Millionen Einwohnern und gibt kaum Sehenswürdigkeiten her. Der Grund für meinen Sulawesi Abstecher ist Tana Toraja. Das Volk der Toraja hat bis heute ihren Totenkult beibehalten und so eine Beerdigungszeremonie möchte ich mir ansehen.
Gleich nachdem ich also meinen Rucksack vom Förderband gehieft habe, mache ich mich per Ojet (Motorradtaxi) auf zum Busbahnhof.
Es fahren diverse Busse abends um neun Uhr nach Toraja. Für 15 SFr buche ich den bequemsten. Um das Warten zu verkürzen, verbringe ich den ganzen Nachmittag in einem Internetcaffee.

Morgens um 6 Uhr treffe ich im Hotel Pia's Poppies ein, das ich mir aus dem Lonely Planet herausgesucht habe. Kurz nach mir trifft Ronja aus Deutschland ein. Das trifft sich super, denn so können wir uns eine Tour mit einem Guide teilen und sind erst noch nicht alleine unterwegs.
Ein Guide ist schnell gefunden und wir haben auch Glück, dass heute gerade eine Beerdigungszeremonie in einem der Dörfer stattfindet.
Per Motorrad (Ronja setzt sich beim Guide hinten drauf und ich habe meinen eigenen Roller) fahren wir in das Dorf Ketu Kesu. Dort angekommen fühle ich mich in der Zeit Jahrzehnte zurückversetzt. Es werden diverse Schweine, welche an Bambusstangen gefesselt sind, an uns vorbeigetragen und ich brauche einen Moment, um zu Begreifen, was hier vor sich geht.

Dies ist der 3. Tag einer 5 tägigen Zeremonie. Wie uns später erklärt wird, ist der Mann bereits vor sieben Monaten gestorben. Nach dem Eintreten des Todes wird derjenigen Person eine Spritze verabreicht, dass der Körper nicht verwest (früher wurde die Person einbalsamiert). Während der Zeit bis zur Beerdigung ist die Person in den Augen der Toraja nur krank und sie behalten den leblosen Körper im Haus und stellen ihm auch Essen und Trinken hin. Die Zeit bis zur Zeremonie wird gebraucht, um alle Vorbereitungen zu treffen. Zudem haben so alle Angehörigen, welche zum Teil auf allen möglichen Inseln Indonesiens leben, genügend Zeit für die Anreise.
Wenn die Zeremonie beginnt, wird die seit längerem tote Person erst wirklich für tot erklärt. Je nach Reichtum einer Familie werden an einer Zeremonie bis zu 300 Büffel geopfert. Üblich sind jedoch bis zu 15 Büffel und etliche Schweine.
Jede anreisende Familie "spendet", eher opfert, einen Büffel oder ein Schwein. Bringen zum Beispiel zwei Familien je ein Schwein ist eines ein Geschenk an die Familie des Toten und bleibt auch vorerst mal am Leben. Das andere wird geschlachtet und halbiert und jede der beiden Familien nimmt eine Hälfte mit nach Hause.

Zurück an den Ort des Geschehens. Erst einmal fühle ich mich nicht wie an einer Beerdigung sondern wie an einem Volksfest. Ja es herrscht fast schon eine fröhliche Stimmung. Über Lautsprecher ist die Stimme eines älteren Herrns, welcher die verschiedenen Familien dazu auffordert, in einer Art Trauerzug durch das Dorf zu ziehen, zu hören. Dabei liefern sie ihre Gaben (Schwein/e oder Büffel) ab.
Die Vorbereitungen für diese Zeremonie waren immens. Die Häuser des Dorfes wurden speziell verziert und es wurden etliche temporäre Bambushütten aufgestellt, wo sich die Familien hinsetzen und verpflegen können. Zudem hat jedes Bambushaus eine Nummer, damit alle wissen, wo sie sich aufhalten können. Es gibt auch eine VIP Bambushütte.

Trotzdem, dass das hier eine Beerdigung ist, werden wir als Touristen sehr herzlich empfangen und so behandelt, als würden wir an der Zeremonie teilnehmen. Auch von den Idioten unter den Touris, welche den Leuten die Kamera fast ins Gesicht drücken, lassen sich die Leute nicht beeindrucken. Ein Aufruf an all diese Touris (meistens 50 plus und als Gruppe unterwegs): Kauft euch eine richtige Kamera oder lasst die Nahaufnahmen sein!

Während zwei Stunden lassen wir uns mit der Menge treiben und versuchen zu Verstehen, was hier abläuft. Unser Guide hilft uns dabei mit spannenden Erklärungen. Ich fühle mich wie in einem Dokumentarfilm über vergangene Zeiten. Kurz vor unserer Ankunft wurde gerade ein Büffel getötet und vor unseren Augen wird dieser jetzt ausgenommen und zerlegt.

Später gehen wir mit unserem Guide in eine der temporär aufgestellten Hütten. Dort überreichen wir unsere Mitgift zum Zeichen des Respektes. Eine Stange lokaler Zigaretten. Unser Guide meinte: "Egal ob ihr Reis oder Zucker mitbringt - wenn keine Zigaretten dabei sind, sind sie nicht zufrieden." In Toraja gehört das (viele) Rauchen zur Kultur. Mir wurde mal eine lokale Zigarette angeboten und als ich diese dankend annahm hiess es: "Schön, dass du rauchst." In der Hütte werden uns Kaffee, Gebäck und Kuchen serviert.
Nach der Pause sehen wir noch, wie ein geschlachtetes Schwein zerlegt wird.

Das Dorf Ketu Kesu


Im Verlaufe der Zeremonie werden auch diese Büffel geschlachtet 

Dieser Mann "führt" die Zeremonie

Torajahäuser in Ketu Kesu




In diesem Haus ist der Sarg während der Zeremonie aufgestellt




Normalerweise wird so Reis gereinigt, doch während  der Zeremonie werden mit dem rhytmischen Schlagen die verschiedenen Familien an der Zeremonie willkommen geheissen.







Familie für Familie zieht in einem Trauerzug durch das Dorf

Mit dem Feuer werden die feinen Haare des Schweines abgebrannt







Teils werden die Menschen von Ketu Kesu in Grabhäusern und Teils in Gräbern in dieser Felswand begraben. Einige der Särge werden auch einfach ausserhalb der Felswand auf diese Holzpfähle gestellt.


Nach der wortwörtlichen SAUerei steigen wir auf unsere fahrbahren Untersätze. Nach ungefähr 30 Minuten Fahrt über Schlaglöcher erreichten wir die Babygräber, unser zweiter Stop. Im Animismus (Religion) werden Babys, die sterben, in einem Baum begraben. Dazu wird ein Loch in einen Baum geschlagen und das Baby in aufrechter Position hineingelegt. Das Loch wird dann mit Holz verschlossen. Mit der Zeit wächst dieses Loch zu. Dies wird aus dem Grund gemacht, weil die Animisten glauben, dass das Baby so mit dem Baum weiterwachsen kann.

Einige dieser Babygräber sind älter als 70 Jahre


Dieses Grab ist vollständig zugewachsen und somit ist das Baby in den Augen der Animisten zurück in die Natur aufgenommen worden.


Torajahaus im Dorf neben dem Babygrab


Wir haben die Ehre, dass wir dieses bewohnte Torajahaus von Innen besichtigen dürfen



Der nächste Stop ist bei Höhlen, welche als Gräber benutzt werden.

Unterwegs fahren wir an dieser Baustelle vorbei. Ihr seht also, dass auch heute noch Torajahäuser gebaut werden.



Büffelwaschanlage


Ronja und Ich im Innern der Höhlen. Diese kleinen Holzfiguren die hinter uns stehen haben eine besondere Bedeutung: Wenn an einer Zeremonie 24 Büffel geschlachtet werden wird dafür so eine Statue angefertigt die ein Abbild des Toten ist. Bei 48 Büffel gibt es zwei Statuen, usw.





Nach einer Zwischenverpflegung halten wir das letzte Mal in dem Dorf Limo, wo wir ein in Felswand gemeisseltes Familiengrab besichtigen. Wenn ein Familienangehöriger stirbt, wird ein weiteres Loch in den Felsen gemeiselt, so dass der Tote liegend hineingelegt werden kann. Das Grab wird dann mit einer Holztür verschlossen. Dieses Familiengrab ist über 400 Jahre alt und wird auch heute noch verwendet.

Familiengrab mit dutzenden von Gräbern


Torajahäuser


Hier noch ein paar Anektoten, welche uns unser Guide erzählt:
- Vor über 400 Jahren wurden neben Büffeln und Schweinen zum Teil auch Menschen geopfert. Dazu zogen die stärksten Männer des Dorfes los in ein weit entferntes Dorf, um ein Opfer auszuwählen und dieses später an der Zeremonie zu opfern. Unser Guide meint trocken: "Zum Glück haben wir heute Gesetzte, die das verbieten."
- Eine Zeremonie war und ist noch immer der beste Ort, um ein Mädchen kennen zu lernen.
- Früher wurde am Abend von Zeremonien viel geredet - heute wird vor allem um Geld gespielt und getrunken.

Kulturall gesehen war dieser Tag sicher der eindrücklichste meiner Reise, denn wo hat man schon noch die Möglichkeit, eine jahrhundert alte Kultur erleben zu dürfen. Ein Tag, den ich nie vergessen werde.

Am nächsten Tag miete ich mit Ronja einen Roller und auf eigene Faust erkunden wir zusammen den Norden von Toraja. Die "Strasse" (Schlaglöcher mit meistens ein wenig Belag dazwischen) führt uns durch Wälder und an wunderschönen Reisterrassen vorbei in die Berge.

Ich muss lachen als ich in einem kleinen Restaurant bei den Reisterassen diesen Kleber entdecke


Reisterassen









Bevor wir nach Rantepao, wo unser Hotel ist, zurückfahren, stellen wir den Roller ausserhalb der Stadt ab und erkunden zu Fuss ein Dorf. Wie überall werden wir herzlich begrüsst und wir werden noch Zeuge, wie ein paar Jungs ihre Kampfhähne trainieren.



























Am dritten und letzten Tag werde ich per Nachtbus abends um 21 Uhr zurück nach Makassar reisen, von wo aus ich nach Banjarmasin, Kalimantan (indonesischer Teil von Borneo) fliegen werde. Da ich ja noch den ganzen Tag zur Verfügung habe, mache ich mich nochmals auf nach Ketu Kesu, wo heute der letzte Tag der Beerdigungszeremonie stattfindet. Ronja ist auch nochmals mit dabei, da sie ebenfalls am Abend weiterreist. Als wir um halb eins eintreffen, wird gerade zu Mittag gegessen. Es sind nicht mehr ganz so viele Leute wie vor zwei Tagen anwesend. Kaum angekommen winkt uns ein Indonesier zu sich und bietet uns etwas zu Essen an. Alles lokale Spezialitäten, frisch zubereitet. Schwein mit Gemüse in einem Bambusrohr über dem Feuer gekocht (lecker), Poulet, grosser Bruder vom Bambus (niemand weiss so genau, was es für ein Gemüse ist-auf jeden Fall ein Teil vom Bambus) und Reis. Der supernette Indonesier lebt auf Java und ist mit seinem Team unterwegs in Indonesien, um Filme und Fotos zu machen für Indonesien Tourismus. Sein Name ist Bambie und er versteht auch bis heute nicht, warum er ausgerechnet diesen Namen bekommen hat. Es ist mal wieder genial, wie wir empfangen werden, als würden wir alte Freunde treffen.

In der Mitte des Dorfplatzes steht der Sarg. Nach dem Mittagessen geht die Zeremonie nochmals weiter, bevor der Sarg unter tosendem Jubel Richtung Grab getragen wird. Nachdem der Sarg in das Grabhaus gebracht wurde und dieses verschlossen wird, löst sich die Menschenmenge langsam auf.

Noch auf dem Dorfplatz habe ich gesehen, dass am Sarg eine Go Pro (Kamera) angebracht ist. Hmmmm, schräg! Bambie sagte mir dann später mit einem Schmunzeln, dass es seine ist und dass er auf der anderen Seite des Sarges auch noch eine befestigt hat. Bevor der Sarg dann entgültig hinter Schloss und Riegel gebracht wird, montiert er die beiden Kameras ab.

Was die Zeremonie betrifft war der heutige Tag noch spannender als vor zwei Tagen.

Bambie


Kurz bevor der Sarg in dem Grabhäuschen weggeschlossen wird. Seine Frau wird später ebenfalls in dem selben Grab begraben.


Die meisten der Toraja Leute sind Christen.

Nachdem der Sarg hinter Schloss und Riegel gebracht ist löst sich die Menschenmenge langsam auf und die dreitägige Zeremonie ist zu Ende



Den späten Nachmittag verbringe ich in einem Internetcafé, bevor ich abends in den Bus Richtung Makassar steige.

Am nächsten Morgen früh lässt mich der Bus direkt beim Flughafen raus. Es ist 6 Uhr und um 11:45 geht mein Flieger nach Banjarmasin. Warten... Warten... Warten
Während dem Warten unterhalte ich mich mit einem Indonesier, der mir sagt, dass sie Weisse "Langnasen" nennen, weil unsere Nase länger und weniger breit ist als die ihrige. Er will dann auch meine Nase anfassen, weil er mir nicht glaubt, dass wir Weissen auch einen Nasenknochen haben.

Mit einer Stunde verspätung fliege ich dann schlussendlich Richtung Kalimantan.


Unterwegs mit dem Roller

In Rantepao sehe ich zum ersten Mal seit zwei Monaten wieder Regen. Ich freue mich wie ein kleines Kind - schon was tolles so ein Regenschauer :-)

Wie schon erwähnt - die Toraja sind Christen

alt und modern nebeneinander

In Fels geisselte Gräber










Zum Abschluss ein rund 5 minütiger Zusammenschnitt der Videos die ich an der Beerdigungszeremonie in Ketu Kesu gemacht habe. Den ersten Teil habe ich beim ersten Besuch (3. Tag der Zeremonie) gefilmt und ab dem Zeitpunkt wo der Sarg in der Mitte des Dorfplatzes zu sehen ist handelt es sich um den zweiten Besuch (5. Tag der Zeremonie)

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